Journalismus lebt davon, einen Skandal zu machen. Hier ist er. Litauen liegt im Baltikum. Im Westen Russlands Enklave Kaliningrad, im Osten Weißrussland. Für einen Skandal braucht es da nur einen Tanzschritt.
Litauen, eingebunden in die EU und NATO, steht an der Frontlinie und lebt vom Handel mit Russland. Jede Sanktion gegen Moskaus Machthaber findet hier ein Loch im Netz. Fische für Kaliningrad sind das große Geschäft dieses Ostsee-Anrainers.
Der Bürgermeister von Kaunas, einem Städtchen mitten in Litauen, heißt Visvaldas Matijošaitis. Er ist der Gründer eines Unternehmen, dass zum zweitgrößten Fischlieferanten nach Russland aufstieg, der Vičiūnų grupe. Eine solches Unternehmen braucht gute Beziehungen. Und die hat er. Seine Stadt regiert der machtvolle Stadtobere schon in vierter Amtszeit, also eine gefühlt Ewigkeit. Wenn in Kaunas ein Festival stattfindet, dann mit „seinem“ Geld, der städtischen Förderung. „ConTempo“ heißt das Ereignis und wird von der herrlich umtriebigen Gintarė Masteikaitė organisiert. Sie lud eine Performance ein, die am Ufer einer der beiden Flüsse stattfinden sollte, die sich in Kaunas vereinigen, Neris und Nemunas. Die litauische Choreografin Aira Nagineviūtė und ihre Mitstreiterinnen, Erika Vizbaraitė und Arūnas Adomaitis, wollten eine Kalaschnikow in den Baum hängen. Vor dieser Waffe würden sie in einem Baum baumelnd dem Schwebezustand der aktuellen Bedrohung ins Auge sehen.