Marcos Morau & La Veronal

Marcos Morau Barcelona
"Siena" von La Veronal

Jesús Robisco

Müde von „Avantgarde“, von lahmen Leibern und bedeutungsschwerer Heiligkeit? Hier kommt Marcos Morau, ein Spanier, der vor gewaltigen Bühnenbildern mit seinen Tanzenden wirklich etwas zu erzählen hat.

Auf der Bühne sieht es aus wie in den Uffizien von Florenz. Ein Museumsmann sieht den Museumsgästen zu, wie sie die Bilder betrachten. Er betrachtet die Betrachtenden, beobachtet sie argwöhnisch bei ihrem Blick auf diese splitternackte, ins Bett drapierte Frau, das Geschlecht exakt im Zentrum des überlebensgroßen Gemäldes: Tizians berühmte „Venus von Urbino“.

Marcos Morau Barcelona

Vor der „Venus von Urbino“

Jesús Robisco

Schamfrei schaut die Venus zurück. Genauso schamlos werden wir vom Wärter des Museums kontrolliert: Jeder von uns könnte ein mutmaßlicher Gemäldeschlitzer oder potenzieller Bilderstürmer sein.

Marcos Morau Barcelona

Manuel Rodriguez

Jesús Robisco

Das ist die Ausgangslage: Dieser Wärter, der sonst auf den Namen Manuel Rodriguez hört, beginnt seinen Tanz. Die Arme scheren wie Heckenschneider, seine Beine grätschen so gefährlich wie man es sonst nur bei den hoch beschleunigten Balletten eines William Forsythe sieht. Es wird exzellent getanzt. Noch dazu rast nun ein Krimi auf das Publikum zu. Eine Besucherin als Tänzerin wird sterben, als sie ihren Blick ins Tizian-Gemälde versenkt. Eine Bahre fährt herein, ein Leichensack wird geöffnet und über ihrem Körper wieder geschlossen. Ihre Leiche wird später aus dem Bühnenhimmel stürzen.

Marcos Morau Barcelona

Aufgebahrt

Jesús Robisco

Erdacht hat das nie langweilige Abenteuer Marcos Morau aus dem spanischen Valencia, aus einer Gegend, wo vor ein paar Jahren selbst so bekannte Ballettkompanien wie die von Ángel Corella ihren Bankrott erklären mussten. Pleiten allerorten. Auch in Spanien. Also floh der damals 28-jährige Morau nach Barcelona, wo es noch Geld und internationale Beziehungen gab. Für ihn ein Glücksfall, auch wenn der katalanische Nationalismus nicht all zu gut auf die Spanier aus dem Süden zu sprechen ist.

Marcos Morau war in Valencia das, was man einen angehenden Balletttänzer nennt, ein Student an der Stange, der bald verstand: Für einen Spitzentänzer wird sein Können nie reichen. Zu vielfältig waren seine Interessen, auch an bildender Kunst, an Literatur, an Filmen. Seine ganze Neugier passte nicht in seinen einen Körper. Er wollte alles gleichzeitig, und gleichtzeitig geht nur, wenn einer sehr beweglich ist, die Augen überall, wie ein Museumswärter; die Gliedmaßen überall, wie die Tanzenden bei William Forsythe; den Körper überall, wie seine unbändige Lust, die Welt zu bereisen, Russland und Island, Japan und Oregon. Seine Vorstellungskraft ging mit ihm durch, er zügelte sie durch ein Studium. Tanzen und Reisen – für ihn kein Widerspruch. Abenteuer erleben und die Welt erfinden, das geht für ihn zusammen: auf jeder Bühne, der er habhaft werden kann Bewegung ist nicht nur im Körper, auch im Kopf. So begann eine Karriere, die ihn bald mehrfach um die Welt führte.

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Marcos Morau

3,38

Marcos Morau ist ein Akrobat des Gleichzeitigen. Bei ihm fallen Tod und Fantasie in eins, Avantgarde und Folklore, Tradition und Science Fiction. Er inszeniert wie unerwartet die Überraschung, der Tanz wird zum Krimi. Wie es einer geschafft hat, seine Träume Wirklichkeit werden zu lassen

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