Die Macht erhaltende Kunstform
Unser Gespräch fand statt, kurz nachdem er aus Chemnitz zurückgekehrt ist. Er war eingeladen, mit der dortigen Ballettkompanie ein eigenes Format für junge Choreografen zu entwickeln, «Made In Chemnitz». Sogar das Fernsehen war da. Die Ehrung für Hillebrand war dem ZDF einen rührenden Beitrag wert. Vor der Kamera sagte der 38-Jährige brav, es sei eine Preis für alle Urban Dancers. Und eine für alle mit anderer Hautfarbe. In Chemnitz stieß er auf eine Kompanie «mit sehr wenigen in Deutschland geborenen Menschen, die sich dem Prinzip weißer Vorherrschaft unterwerfen und die ganz erstaunt waren, dass ich keine patriarchalen Handlungsaufforderungen oder Befehle erteile». Nach einer Arbeit am Staatstheater Oldenburg ist Chemnitz die zweite Erfahrung mit einer, wie er es nennt, «Macht erhaltenden Kunstform, die in sich strikt hierarchisch organisiert ist. Ballett heißt: Ordne dich unter, denn es gibt etwas Höheres, das absolut und richtig ist.»
Unter dem Sammelbegriff Urban Dance versteht er dagegen das Ausleben einer sehr realen gesellschaftlichen Wut: «Da ist so viel Druck drin, der muss raus, da ist zu viel Druck in der Lunge für viel zu wenige Trompeten.»
Dialogic Movement
Raphael Hillebrand hat diesen Wortwitz, sein Tatendrang ist ansteckend. Nicht nur ist er Mitgründer dieser kleinen Hip-Hop-Partei «Die Urbane», auch will er den in Berliner Jugendkulturzentren betriebenen Street Dance mit dem Theater versöhnen. Jahrelang hat er sich dazu als eloquenter Moderator in seinem Format «Dialogic Movement» an einem Brückenschlag zwischen urbanen Tanzformen und zeitgenössischem Tanz versucht, nachdem er sich mit seinem Studium am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz in Berlin ein Sprungbrett geschaffen hatte: mit famos getanzten, narrativen Soloarbeiten und mit dem Publikumserfolg «Drei Brüder», das 2013 als «Bestes Deutsches Tanzsolo» in Leipzig ausgezeichnet wurde. Inspiriert durch seinen Lehrer, Niels «Storm» Robitzky, hat er den Respekt der zeitgenössischen Tanzszene ebenso gewonnen, wie er vor Jahren den «Battle of the Year 2006» und den «2vs2» beim Breakdance Event IBE in Rotterdam gewann und Ruhm auch in der Urbanen Szene gesammelt, um etwa in Dresden die Breaking Crew The Saxons mit der Elbland Philharmonie Sachsen zu konfrontieren: als ein «Urbanes Tanztheater».