Die Premiere von Lecavaliers neuer einstündige Solo-Choreografie „danses vagabondes“ am tanzhaus nrw in Düsseldorf Anfang Dezember 2024 war ein Ereignis, das viele überraschende Wendungen bot, sich auf detaillierte Fuß- und Armarbeit konzentrierte und rasante Anspielungen auf die Performance- und Tanzgeschichte machte. Es gab ein sich wandelndes Spiel mit dem Kostüm – eine schlichte Überarbeitung des Kimonos und der Trainingshose – und eine anhaltende Meditation über den Port de bras, die an Ballett und folkloristische Bewegungen erinnerte und in ein Pete-Townsend-artiges Handrad ausartete, das einen Schwung erzeugte, der in andere Sphären entführte. Während der gesamten Aufführung umriss Lecavalier das Quadrat des Bühnenraums , markierte Bewegungsbahnen darauf und arbeitete mit den Mittelfußknochen, den Ballen, den Seiten der Füße, kreuzte sie, stampfte im Takt und bewegte sich mit schwebender Leichtigkeit unerbittlich durch den Raum. In bester Erinnerung bleibt die Schlussszene: Lecavalier steht frontal, mit direktem Blick, die Arme ausgestreckt und weit geöffnet, vielleicht eine Anspielung auf eine letzte Verbeugung als Darstellerin? Vor einer feurige gepixelten LED-Sonne entstand ein apokalyptisches Bild, auf das unerwartet ein zweiter Abgang folgte: diesmal mit witzigen Verzierungen der Hand und dem Versprechen auf Rückkehr.
Mit dieser Uraufführung setzt die nun 66-Jährige fort, was 2006 ihre zweite Karriere begründete. Sie schuf ihre eigene Kompanie Fou glorieux, ein Name, der den Glanz und Gloria ihres bei La La La Human Steps erworbenen Rufs in der Tanzwelt wie einen Diamant umschloss. Mit „So Blue“ (2012), unter anderem gefolgt von „Battleground“ (2016) und „Stations“ (2020), setzte sie konzentriert und radikal fort, was sie schon von 1981 bis 1999 gemeinam mit Édouard Locks Kompanie angelegt hatte: eine Künstlerin zu sein, die mit ihrem Körper Grenzen überschreitet – und die nicht um des Trainings Willen an sich selbst arbeitet, sondern als Forscherin an ihrem Körper, von dem sie nicht glauben mag, dass er nur in jungen Jahren zu wachsen imstande ist.