Es wurde damals viel über ihren Tanz diskutiert. Sie hatte eine starke Fangemeinde, die Presse berichtete und die Wissenschaften diskutierten das Feministische, das Artistische, das Auratische bei ihr. Die Kritik spekulierte, ob Louise Lecavaliers kraftvollen Bewegungen „gut“ für Frauen seien oder einfach zu extrem, oder nur ein weiteres Modell verkörperter Perfektion? Das Ensemble und Lecavalier tanzten weiter, trotzten den überkommenen Werten und den starren Gegensätzen von Choreografie und Tanz, Künstler und Muse, Mann und Frau.
Das Risiko war für sie kein Selbstzweck, sondern die Suche nach dem, was sein könnte, der Wunsch nach dem Porträt eines ausufernden Körpers. Dieser Wunsch gilt bei ihr auch heute noch. Wenn Lecavalier über ihren Ansatz zur Choreografie spricht, dann so:
„Wir glauben, dass wir unseren Körper kennen, dass wir ihn auf der Bühne kennen, aber wir kennen ihn gar nicht gut. Wenn alles, was man macht, bereits erkennbar ist, lässt uns das in der Überzeugung verharren, dass wir immer schon genau wissen, was wir sind, dass der Körper genau das ist und nicht doch etwas sehr viel Komplexeres. Ich denke, dass wir uns darüber hinwegsetzen können. Der Körper hat nicht so viele Grenzen …“